Anregung zur Heilung
Aber wir müssen uns bei alledem (an Therapiemaßnahmen) ganz klar darüber sein, dass wir es im menschlichen Organismus wirklich zu tun haben mit etwas, was nicht, ich möchte sagen, ganz geheilt sein will, sondern nur angeregt sein will zur Heilung. Das ist von ungeheurer Wichtigkeit. Der menschliche Organismus will eigentlich im kranken Zustande angeregt werden zur Heilung. Und wenn wir die Heilung dauernd machen wollen, müssen wir uns eigentlich darauf beschränken, Anregungen zu geben zur Heilung. Denn eine Heilung, die scheinbar glatt verläuft, führt leichter zu Rückfällen als eine Krankheit, die angeregt ist zur Heilung. Der Organismus hat sich zunächst eingewöhnt in den Heilungsgang und setzt ihn fort durch seine eigene Tätigkeit. Dadurch verbindet er sich viel intimer damit, bis die Reaktion wieder aufkommt. Aber zunächst findet eine Art von Eingewöhnung statt. Und wenn wir uns anpassen eine Zeitlang in unserem Organismus an den Heilprozess, so ist das die allerbeste Heilung.
Rudolf Steiner (GA 314, S. 159 f.)
Schulmedizin und Homöopathie: Unterschiedliche Denkweisen über die Krankheiten
Die heutige Medizin sieht die Krankheit als etwas an, was im Körper nicht da sein sollte und was daher zu bekämpfen ist. Dagegen sagt die Homöopathie: Dasjenige, was uns als Krankheitserscheinung entgegentritt, ist der Versuch des Organismus, gegen die Schädigungen, welchen der Körper ausgesetzt war, anzukämpfen. Also ist zu versuchen, diese Prozesse in richtige Bahnen zu leiten, den Körper darin zu unterstützen. Nicht also die Symptome zu bekämpfen, sondern ihnen Gelegenheit zu geben, sich auszuwirken, damit die tiefer liegenden Schädigungen des Organismus verschwinden.
Die Homöopathie wendet das als Heilmittel an, was beim gesunden Menschen die Krankheit hervorruft , damit bekämpft sie die Krankheit. Mit ihren Anschauungen und Heilverfahren streift sie nahe heran an das, was die Geisteswissenschaft vertreten muss.
Rudolf Steiner, Vortrag vom 6. März 1909 in München, Gesundheitsfragen im Licht der Geisteswissenschaft
Der Sinn des Leidens
Leiden ist eine Begleiterscheinung der höheren Entwickelung. Es ist das, was man nicht entbehren kann zur Erkenntnis.
Der Mensch wird sich einst sagen: Was mir die Welt an Freude gibt, dafür bin ich dankbar. Wenn ich aber vor die Wahl gestellt werde, ob ich meine Freuden oder meine Leiden behalten will, so werde ich die Leiden behalten wollen; ich kann sie nicht entbehren zur Erkenntnis.
Jedes Leiden stellt sich nach einer gewissen Zeit so dar, dass man es nicht entbehren kann, denn wir haben es als etwas in der Entwickelung Enthaltenes aufzufassen. Es gibt keine Entwickelung ohne Leiden.
Dadurch, dass der Mensch die Egoität überwindet, kommt er über die Stimmung des Bedrückt- und Gelähmtseins hinweg. In diesem Phänomen kann man etwas sehen, was gut ist: Kraft aus der Unzulänglichkeit.
Gott sei Dank, dass ich durch eine unzulängliche Tat, das heißt deren Misserfolg, ermutigt werde, weiter zu handeln! Das Menschenstreben ist kein unbestimmtes Glückslos. Unerlöst bleibt nur der, dessen freier Wille sich abwendet von der Bestimmung des Menschenwesens. In der Synthese des Weltenprozesses ist das Leid ein Faktor.
Rudolf Steiner (GA 110, S. 182f.)