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Das freie Geistesleben befindet sich in der Krise
Deshalb hat es anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft so schwer, zu den Menschen der Gegenwart zu sprechen, weil im Grunde genommen das Interesse, das sie aus ihrem inneren welthistorischen Pflichtgefühl heraus geltend machen muss, unter den Menschen in weitesten Kreisen gar nicht regsam ist.
Man möchte überall, im Wirtschaftlichen, im Staatlichen die Quellen der Krisen suchen, aber man schreckt davor zurück, sie im Geistesleben zu suchen. Aber ehe man sie nicht suchen wird im Geistesleben, ehedem wird nichts, gar nichts besser – auch im staatlichen Leben nicht.
Denn das, was im staatlichen, im wirtschaftlichen Leben äußere Wirklichkeit ist, das ist doch, wenn es heute die Menschen auch nicht einsehen wollen, nur der Ausdruck dessen, was die Menschen denken, was sie denken gelernt haben durch das Geistesleben, das in den letzten drei bis vier Jahrhunderten, insbesondere im 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit heraufgezogen ist.
Heute kommt es nicht darauf an, dass man dasjenige, was an Bekenntnissen aus der Vorzeit vorhanden ist, sammelt; heute kommt es darauf an, dass ein neues Geistesleben durch eine Neuschöpfung unter die Menschen komme. Nur derjenige versteht die Geisteskrisis, der nicht bloß das Alte wiederholen, nicht bloß das Alte sammeln will, sondern der den Willen entwickelt zu geistiger Neuschöpfung.
Rudolf Steiner (GA 335, S. 278f., S. 283)
Wir brauchen ein neues Geistesleben
Wir müssen ein neues Geistesleben zur Pflege der Individualität haben; wir müssen herausholen die menschliche Selbstbedeutung und die menschlichen Fähigkeiten, die sich in den menschlichen Zusammenhang nur richtig hineinstellen können durch ein richtiges Erfassen der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Individualität. Um in der richtigen Weise das Geistesleben zur Wirksamkeit zu bringen, brauchen wir das auf sich selbst gestellte Geistesleben.
Ebenso, wie sich die religiösen Weltanschauungen heute an Äußeres (Kirchen) anlehnen müssen, weil das Innere nicht mehr sprudelt, so macht auch die Jurisprudenz die Staatslehre Anleihen bei den Wirtschaftsverhältnissen, weil sie aus dem Innern nichts mehr lebendig sprudeln hat.
So sehen wir, dass heute ein Gemisch von wirtschaftlichem Denken und juristischem Denken zustande kommt, welches das Chaos über unser Leben breitet. Und wer die Dinge durchschaut, der weiß, wieviel von dieser chaotischen Verwirrung innerhalb unseres öffentlichen sozialen Umwälzungen, die sozialen Irrungen und Wirrungen in Taten sich äußern.
Wir kommen nur vorwärts, wenn wir ein neues Geistesleben auf die Art, wie ich es geschildert habe suchen. Das alte Geistesleben ist als Erbschaft vergangen. Aber wir finden das neue Geistesleben nur, wenn wir nicht dem Staate übergeben die Schule, wenn wir das ganze geistige Leben auf sich selbst stellen, denn dann allein können wir das Geistesleben herausheben aus dem, worin es jetzt ist.
Aus der menschlichen Individualität und Persönlichkeit bringt der Mensch, wenn er aus geistigen Höhen in die physische Welt hereintritt, für jede Generation ein neues, reales Geistiges mit; das wollen wir heben. Wir wollen dieses reale Geistige durch Liebe kraftvoll sich vom Lehrer, vom Erzieher zum Kinde entwickeln lassen.
Rudolf Steiner (GA 335, S. 269, S. 265f.)